Nach wenigen Minuten merkte ich: Der Inhalt des Videos, das ich mir gerade anschaute, ging in eine andere als die erwartete Richtung. Dem Titel nach hatte ich mit einem Beitrag zur Wirkung von Parasiten gerechnet. Da ich diese tatsächlich für eine viel zu wenig beachtete Ursache zahlreicher gesundheitlicher Beschwerden halte, hatte ich den Beitrag angeklickt.
Nun aber sprach die von mir sehr geschätzte Dr. Christiane Northrup im Sinn einer ganzheitlichen Betrachtungsweise plötzlich von parasitären Beziehungen: Von Empathen, die sich so oft an der Seite von Narzissten wiederfinden. Von den Energievampiren, als die sie letztere auch bezeichnet (1).
Und von den Mustern, die diese an den Tag legen: Das Einfordern von Aufmerksamkeit und das Haschen nach Liebesbezeugungen (”Liebst du mich?”) genauso wie die Ablehnung, die nach einer anfänglichen Phase plötzlich immer mehr um sich greift. Bis zum Punkt, an dem man es einem narzisstisch veranlagten Menschen nie mehr recht machen kann, hin zu kontinuerlichen Demütigungen und der Zerstörung des Selbstwertgefühls.
Es führt zum Untergang, untolerierbares Verhalten stets zu entschuldigen
Gerade dem empathischen Partner in der BeZIEHung – dieses Wort ist hier für einmal angebracht – fällt es schwer, sich von diesen Mustern abzugrenzen und nicht vereinnahmen zu lassen. Die Erinnerung an die Anfangszeiten, in denen doch alles anders war, taucht immer wieder auf und lässt darauf hoffen, diesen Punkt wieder zu erreichen. Vergeblich.
Dabei haben narzisstische Menschen mit Empathen ein einfaches Spiel: Denn diese wollen helfen, wollen niemanden hängen lassen. Also erfüllen sie die Bedürfnisse und Wünsche des anderen auch dann, wenn sie darunter leiden. In ihrer Feinfühligkeit spüren sie schliesslich die Verletzungen genau, die einem narzisstischen Verhalten zugrunde liegen. Ein anderer Ausdruck für dieses Verhalten ist “pathologische Unsicherheit”. Empathen fühlen das. Dies lässt sie lange nachsichtig mit einem längst untolerierbaren Verhalten sein: Sie oder er “meint es ja nicht so” oder “ist im Grunde ein guter Mensch” oder “hatte es auch nicht immer leicht”.
Und doch läuft es auch – oder gerade – in solch einer toxischen Verbindung immer auf den Punkt hinaus, an dem es heisst: Entweder ich lerne, mich abzugrenzen und NEIN zu sagen, oder ich gehe selbst unter. Oder wie es eine amerikanische Lebensberaterin einmal formuliert hat: “Du bist wohl da, um zu (be)dienen, aber nicht, um selbst der Hauptgang zu sein.”
Den “Natürlich helfe ich dir”-Impuls unterbrechen
Das bringt uns zum Punkt, wie NEIN sagen in solch einer schwierigen Situation überhaupt möglich ist. Northrup erläutert im Beitrag folgende Strategien:
Zunächst geht es darum, den automatischen “Natürlich helfe ich dir”-Impuls zu unterbrechen und dem narzisstischen Partner oder Chef oder der narzisstischen Bekannten nicht wie sonst sofort zu Hilfe zu eilen. Solche Hilferufe sind zahlreich, und oft erreichen sie dich gerade dann, wenn es so gar nicht passt – du dir zum Beispiel endlich einen Tag frei genommen hast oder du im Geschäft gerade sehr viel anderes zu tun hast.
Eine mögliche Reaktion ist hier ein inneres “Time out”. Egal, was ist, du sagst: “Ich werde dich zurückrufen” oder “Gib mir etwas Zeit, ich werde mich wieder bei dir melden”. Das verschafft dir die dringend benötigte Pause, um dann eine andere Antwort als das übliche “Ich komme gleich” oder “Was kann ich für dich tun?” zu geben.
Die Strategie des gebrochenen Flügels
Eine weitere Strategie zur Abgrenzung ist es, in solch einer Situation eigene Bedürfnisse oder Befindlichkeiten in den Vordergrund zu stellen: “Ich würde dir gerne helfen. Im Moment fühle ich mich jedoch selbst nicht wohl / stehe ich selbst unter Druck / bin ich selbst nicht in der Lage …“.
Da narzisstische Menschen Mühe damit haben, andere Bedürfnisse als ihre eigenen gelten zu lassen, werden sie in diesem Moment von ihrem Begehren ab- und dich mit grosser Wahrscheinlichkeit in Ruhe lassen. Diese Strategie des “Gebrochenen Flügels” ist allerdings wenig authentisch, wenn der erwähnte Grund für dein “Ich kann nicht” vollkommen an den Haaren herbeigezogen ist.
Die nächste Stufe besteht folglich daraus zu sagen, dass du gerade nicht helfen willst. Hast du diesen Punkt erreicht und kannst dies so ehrlich zum Ausdruck bringen, brauchst du diesen Blog nicht mehr weiterzulesen – dann hast du die Meisterschaft des Nein-Sagens erreicht.
Gekonnt NEIN sagen
All jenen, denen es immer noch schwerfällt, Nein zu sagen (ich zähle mich hier dazu), gebe ich in meinem online-Training “Komm in deine Schöpferkraft!” eine sprachliche Formel an die Hand, wie NEIN sagen gekonnt und respektvoll möglich ist – egal, wem du die verneinende Antwort gibst.
Kurz zusammengefasst besteht sie aus drei Stufen:
- Freundliche Bemerkung zum herangetragenen Anliegen
Beispiel: “Ich finde es super, dass euer lang geplantes Fest nächsten Samstag nun wirklich stattfindet!” - Klare verneinende Antwort (Meide Begründungen, meide das Wort “leider”, sprich im Futur)
Beispiel: “Ich werde daran jedoch nicht teilnehmen (können).” - Konstruktive Alternative anbieten
Beispiel: “Werden wir uns stattdessen bald wieder zu zweit sehen? Ich habe dafür ab Anfang März gut Zeit.”
NEIN zu sagen und sich abzugrenzen in Situationen, in denen
- es dir beim Gedanken daran “eng” wird,
- du etwas schlicht nicht tun willst,
- du etwas einzig und allein dem anderen zuliebe tust oder
- du jetzt schon weisst, dass du dich anschliessend leer und ausgelaugt fühlen wirst,
ist meines Erachtens ein Akt der Selbstliebe und daher ein wichtiger Schritt in deine eigene Kraft und Mitte.
Eine gesunde Abgrenzung darf an Stelle der viel zitierten und oft missbräuchlich ins Feld geführten Solidarität mit anderen treten, wenn diese nicht in Übereinstimmung mit deinen eigenen Bedürfnissen erfolgt.
Denn dann ist ein NEIN zu anderen ein JA zu dir selbst!
(1) Das Buch „Dodging Energy Vampires“ von Dr. Christiane Northrup ist nur in Englisch verfügbar. Ihre Bücher zu Frauengesundheit und Menopause sind zahlreich in deutscher Sprache erschienen.
Weitere Blogs von mir zum Thema „gesunde Abgrenzung“ findest du hier:
„Echt jetzt!“
Vom Wahren der energetischen Balance
Alles Gute kommt von innen
Präsenz als grösstes Präsent
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