Heute ist Weihnachten.
Weih-nachten ist offensichtlich die „Nacht der Weihe“. Doch: Was heisst „weihen“ überhaupt? Und wo kommt dieses Wort her?
Ich habe mich im Lauf der Zeit mit einigen Festtagen in unserer westlichen Hemisphäre befasst und bin in allen Fällen mindestens zu folgendem Schluss gekommen: Das, was wir da feiern, hat wenig mit dem zu tun, was wir zu feiern meinen. Und meistens führt das „Kaninchenloch“ genau dahin, wo Kaninchenlöcher hinführen: Ins Dunkle.
Doch lassen wir alle Theorien und Geschichten in Bezug auf Weihnachten einmal los und konzentrieren uns lediglich auf die Wortebene und die eingangs gestellten Fragen:
Was bedeutet „weihen“, und wo kommt der Begriff her?
Menschen, Orte oder Dinge in den Dienst / unter den Segen Gottes stellen
Beginnen wir mit der Bedeutung von „Weihe“:
Gemäss Wikipedia ist eine Weihe „eine religiöse Zeremonie, die sich auf Menschen oder Dinge beziehen kann.“ Weiter: „Weihe bedeutet, dass der oder das Geweihte künftig und auf Dauer nicht mehr für den normalen, profanen ‚Gebrauch‘ bestimmt ist, sondern für einen anderen, religiösen und symbolisch-zeichenhaften. Jemand oder etwas wird dem weltlichen ‚Gebrauch‘ entzogen und in den alleinigen Dienst Gottes gestellt.“
Wir haben es also mit einem Begriff zu tun, der vornehmlich im religiösen Kontext zum Tragen kommt. In diesem Kontext wird ein Unterschied gemacht zwischen einem „normalen“ Menschen und einem Menschen, der durch eine Weihe über diese „Normalität“ gestellt wird, indem er künftig Gott dient.
Neben Menschen können auch Orte oder Dinge gesegnet werden, die dadurch fortan „unter dem Segen Gottes“ stehen.
Weiter kommt mir auch in den Sinn, dass Opfergaben Gott oder Göttern „geweiht“ wurden (und immer noch werden).
Weihen wird von Opfergaben begleitet
Eine andere Verbindung zu Opfergaben stellt das digitale Bibel-Lexikon her. Hier ist nachzulesen, dass die Priesterweihe mit dem Opfer von Tieren verknüpft war:
„Aaron und seine Söhne wurden zum Priesterdienst geweiht (…). Sie wurden gewaschen, bekleidet und mit Öl gesalbt. Ein junger Stier wurde als Sündopfer geopfert und ein Widder als Brandopfer; ein zweiter Widder wurde geopfert, welcher der ‚Widder der Einweihung‘ genannt wird. Sein Blut wurde auf das rechte Ohr, den Daumen der rechten Hand und die große Zehe des rechten Fußes getan.
Aaron und seine Söhne wurden mit Blut besprengt und mit Öl gesalbt. Einige Teile des zweiten Widders wurden in die Hände von Aaron und seinen Söhnen gelegt, die vor dem Herrn gewoben und dann auf dem Altar als Brandopfer verbrannt wurden. Die Brust des Widders wurde ebenfalls vor dem Herrn gewoben und war für Mose bestimmt. Aaron und seine Söhne aßen von dem Fleisch am Eingang des Zeltes des Zusammenkunft.“
Unklare Wortherkunft mit verschiedenen Möglichkeiten
Das bringt uns zur Herkunft des Wortes „weihen“. Diese ist allerdings nicht geklärt bzw. wird von unterschiedlichen Quellen unterschiedlich hergeleitet:
Oben erwähntes Bibel-Lexikon beispielsweise schreibt: „Die Wörter, die meistens für ‚weihen‘ gebraucht werden, sind mala yad, was ((auf hebräisch, Anmerkung Karin)) ‚die Hände füllen‘ bedeutet. Dies deutet zweifelsohne auf das Weben in den Händen der Priester vor dem Herrn hin. Ihre Hände, die mit Opfergaben gefüllt waren, passten zu ihrem Charakter als Priester Gottes.“
Wikipedia führt „weihen“ derweil auf das urgermanische weiha- für ‚heilig, geweiht, numinos‘ zurück.
Die Hände füllen, aussondern, fesseln / verbinden
Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) wartet mit zwei weiteren Möglichkeiten auf, die beide ebenfalls mit dem Darbringen von Opfergaben zusammenhängen können:
1 – aussondern
„Erwogen wird Verbindung mit aind. ((altindisch)) vinákti für ‘siebt, sichtet, sondert, trennt’, lat. victima für ‘Opfertier, Opfer’ und Rückführung auf eine Wurzel ie. ((= indoeuropäisch)) *ueik- ‘aussondern’. Für weihen ist dann von ‘zu gottesdienstlichen Zwecken aussondern’ auszugehen.“
2 – fesseln / verbinden
„Anders Krause (…), der (…) sie daher mit anord. ((altnordisch)) Ving-Þōrr ‘Weihe-Thor’ (d. i. Thor, der weihende Gott) sowie mit aind. ((altindisch)) paḍviṁśa- (…) = ‘Fessel, Fußfessel (eines Pferdes)’, griech. (…) ímpsas (…) = ‘verbunden habend’ und lat. vincīre = ‘binden, umwinden’ zusammenstellt und eine Ausgangsbedeutung ‘(magisch, religiös) gebunden’ erschließt.“
Ob nun die Hände mit Opfergaben gefüllt wurden / werden, ob Menschen oder Opfer für einen besonderen Dienst „aussondiert“ wurden / werden, ob Menschen „religiös gebunden“ oder Opfertiere ganz konkret gefesselt wurden / werden:
Ich überlasse es dir, die für dich stimmigste Herleitung des Wortes „weihen“ zu erfühlen. Für mich führen alle obigen Möglichkeiten der Bedeutung und Wortherkunft von „Weihe / weihen“ zu einem eher zwiespältigen Gefühl. Wie spürst du das?
Das soll dich freilich nicht daran hindern, Weihnachten deine eigene Bedeutung zu geben und dem Fest dein eigenes Leuchten zu verleihen!
Denn welchen Hintergrund ein Wort auch immer hat: Ich bin überzeugt davon, dass wir Menschen jede Macht der Welt haben. Auch jene, einem Wort und einem Ereignis mit dem, was wir mit ihm verbinden, unsere eigene Schwingung zu verleihen und es neu zu definieren.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

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