Der heikle Gebrauch von Redewendungen in Werbeslogans


Es ist schon einige Jahre her. Ich war damals im Vorstand der Berner Public Relations Gesellschaft (BPRG). An der Sitzung dieses Abends stand die Planung der beliebten monatlichen Veranstaltungen für unsere Mitglieder im kommenden Jahr an. Bald stand fest, dass wir unter anderem einen Anlass zum Thema Curling durchführen wollten.

Wie immer würden wir dabei mehr als einen simplen Vortrag bieten, sondern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst in Aktion treten lassen: Sie würden den Sport selbst ausprobieren und sich dafür aufs rutschige Eis begeben können.

Der Titel für das Ereignis war schnell gefunden, er erschien so naheliegend: “Die BPRG führt Sie aufs Glatteis!”. Meine Einwände, die Bedeutung dieser Redewendung (1) entspreche kaum dem, was wir als BPRG vermitteln wollten, wurden vor lauter Begeisterung über die scheinbar perfekt passende Wortwendung beiseite geschoben. Mich schien es als einzige zu beschäftigen, dass “jemanden aufs Glatteis führen” gleichbedeutend ist mit ‘jemanden irreführen’, ‘jemanden täuschen’ oder ‘negative Tatsachen verborgen halten’. Das hinkte gewaltig!

Ungeachtet dessen ging der Faltprospekt mit dem entsprechenden Programmpunkt so in Druck.

 

Dreh bei uns am Rad!

Heute noch denke ich an diese Begebenheit, wenn ich auf Werbeplakaten einen doppeldeutigen Slogan entdecke, dessen übergeordneter Sinn nicht mit der beabsichtigten Botschaft übereinstimmt bzw. eine gänzlich unerwünschte Botschaft vermittelt.

Ein Beispiel für einen aus meiner Sicht verunglückten Werbeslogan prangt derzeit an Berns Bahnhöfen:

Das Bahnunternehmen BLS (seit jeher mit Grün als Unternehmensfarbe) wirbt mit obigem Spruch für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ob dies mit der Aussage gelingt, bei der BLS künftig am Rad zu drehen, wage ich zu bezweifeln.

Wohl mag es bei der BLS Berufe geben, die Gelegenheit bieten, an echten Zugrädern zu drehen. Doch im übertragenen Sinn bedeutet “am Rad drehen”: ‘Verrückt werden, die Fassung verlieren, nervös werden, verzweifeln’ oder – der Radmetapher entsprechend – auch ‘durchdrehen’.

Dass “grün” hier ferner gross geschrieben werden sollte, lassen wir an dieser Stelle unerwähnt. (2)

 

Die Frage nach der Wortherkunft: Gewinn oder Folter? 

Werbeleute sind gut beraten, wenn sie zudem klären, woher die entsprechende Redewendung kommt. Die geneigten Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen, dass Worte eine Schwingung haben, die auf Menschen wirkt. Diese Schwingung hängt unter anderem damit zusammen, wie und woraus Worte oder Redewendungen ursprünglich entstanden sind.

Im Fall von “am Rad drehen” ist dies offenbar unklar. Einige halten einen Zusammenhang mit dem Glücksrad für möglich, an dem an Jahrmärkten und der Kirmes gedreht wird, um etwas zu gewinnen. Das könnte bedeuten, dass eine Arbeitsstelle bei der BLS ein Gewinn ist, was der beabsichtigten Botschaft sicher entspricht.

Anders verhält es sich bei einer anderen Erklärung zur Herkunft der Wortwendung, wonach diese auf eine schreckliche Variante der Todesstrafe zurückzuführen ist, bei der Menschen früher auf ein Wagenrad gespannt wurden.

Diese Assoziation ist wohl weniger im Sinn der BLS.

 

Sinn und Herkunft von Redewendungen prüfen, um Ausrutscher zu meiden

Wird Sprache treffend eingesetzt, kann Werbung freilich klug und witzig sein.

Ein gutes Beispiel dafür ist mir vor einiger Zeit ebenfalls auf Berns Strassen begegnet (auch wenn hierbei keine klassische Redewendung zum Zug kommt):

Ein solch gelungener Werbeslogan vermag mein Herz durchaus zu erfreuen!

Erfahrungsgemäss ist das Eis jedoch sehr glatt, wenn in der Werbung Wortspiele oder Redewendungen zum Einsatz kommen. Unternehmen sind meines Erachtens gut beraten, wenn sie sowohl die übergeordnete Bedeutung als auch die Herkunft letzterer prüfen und als passend erachten.

Es ist unabdingbar, hierbei auf Nummer sicher zu gehen und eine stabile sprachliche Basis zu schaffen. Sonst ist der Ausrutscher vorprogrammiert.

 

 

(1) Kennst du den Unterschied zwischen einer Redewendung und einem Sprichwort? Am einfachsten ist der Unterschied daran festzumachen, ob es sich um einen ganzen Satz (Sprichwort) oder nur um eine feststehende Verbindung einzelner Wörter (Redewendung) handelt. Dieser Artikel geht darauf ein und bringt entsprechende Beispiele.

(2) Wikipedia: “Eine Praeteritio (auch Präterition, lateinisch praeterire = ‚übergehen‘, ‚auslassen‘) oder Paralipse ist eine rhetorische Stilfigur, bei der man vorgibt, ein Thema (einen Gedanken, einen Gegenstand) übergehen zu wollen, es aber eben (…) doch erwähnt und so besonders hervorhebt.”

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